Der Himmel kennt keine Günstlinge

Die Fabel des Romans, wenn man sie in ein paar Sätzen erzählt, klingt einfach und anspruchslos: Lillian, eine junge Belgierin, die sich schwer lungenkrank in einem Schweizer Sanatorium aufhält, flüchtet mit dem zu Besuch weilenden Rennfahrer Clerfayt in die Welt der gesunden, unbeschwerten Normalmenschen hinab, um in der kurzen, ihr noch zugemessenen Frist Leben, Leben, nichts als Leben in sich hineinzutrinken. Eine zauberhaft leichte Spanne Zeit zwischen Paris, Sizilien, Venedig, Monaco wird ihr geschenkt. Eine Liebesromanze, von der Schwermut frühen Abschieds überschattet, hebt für sie an. Doch diese Ausserlichkeiten des Handlungsablaufs sind für Remarque nicht mehr als ein Vorwand, ein Mittel, um das zu zeigen, was zu zeigen ihm einzig am Herzen liegt: den Menschen, der hingebungsvoll und im tiefsten beglückt das Heute erlebt, weil es ein Morgen für ihn nicht mehr gibt; den Menschen, der täglich das Leben als Gnade und Glück, als ein Geschenk von einzigartiger Schönheit empfängt, weil er dem Tode verfallen ist. «Wer dem Tod oft entkommt, wird ebenso oft wiedergeboren und jedesmal mit tieferer Dankbarkeit, wenn er nur die Illusion aufgibt, einen Anspruch auf das Leben zu haben. » In dieser Erkenntnis Lillians liegt die Quintessenz des Romans beschlossen und sie rührt an die letzten Geheimnisse der Kunst, ein wahrhaft erfülltes Leben zu leben. Die Fabel, scheinbar so einfach und anspruchslos, enthüllt sich dem Leser als das gerade Gegenteil.